BEWERBUNG OHNE ANSCHREIBEN – GEHT DAS?

KLASSISCHER ZWECK VON ANSCHREIBEN BEI BEWERBUNGEN

Sind Bewerbungen ohne Anschreiben möglich? Um diese Frage zu beantworten, sollte man sich in die Rolle von Bewerber:innen und in die von rekrutierenden Unternehmen hineinversetzen. Im herkömmlichen Sinn dienen Anschreiben den Unternehmen dazu, die Motivation der Bewerberin/des Bewerbers zu erfassen. Ist die/der Bewerber:in motiviert eine neue Position anzutreten und kann sich schriftlich gut ausdrücken, hat der/dem Recruiter:in einen sehr guten ersten Anhaltspunkt hinsichtlich der Einladung zu einem Erst-Gespräch. So weit, so gut!

VOR- UND NACHTEILE VON BEWERBUNGEN MIT UND OHNE ANSCHREIBEN

OBLIGATORISCHE BEWERBUNGSANSCHREIBEN:
STOLPERSTEINE IM RECRUITING PROZESS

Was passiert, wenn der oben beschriebene Fall nicht eintritt? Welche Auswirkungen hat dies für Unternehmen und Kandidat:innen? Denkbar sind folgende Szenarien:

  • Die/der Bewerber:in ist geeignet und wechselwillig, schafft es aber nicht ihre/seine Motivation im Anschreiben klar auszudrücken – oder reicht eine Bewerbung ohne Anschreiben ein. Im Auswahlprozess wird sie/er deshalb nicht weiter berücksichtigt.
  • Die/der Bewerber:in fühlt sich von einem Stellengebot angesprochen und wäre ein sehr guter Fit für die ausgeschriebene Stelle. Die Person hat jedoch keine konkreten Wechselambitionen. Aufgrund eines obligatorischen Anschreibens erscheint die Hürde für eine Bewerbung zu hoch, so dass die/der potenzielle Kandidat:in davon absieht.

OPTIONALE BEWERBUNGSANSCHREIBEN: HERAUSFORDERUNGEN IM AUSWAHLPROZESS

Welche Folgen haben Bewerbungen ohne Anschreiben ? Einwände von Personaler:innen, die bisher erfolgreich mit obligatorischen Anschreiben rekrutierte, sind nachvollziehbar:

  • Stellt man es den Bewerber:innen frei, ob sie ein Motivationschreiben anfügen möchten, kann sich der Auswahlprozess aufwändiger gestalten. Durch die wegfallende Hürde ist eine höheren Anzahl an Bewerbungen zu erwarten.
  • Die Bewerber:innen werden im ersten Schritt hauptsächlich anhand ihres CVs und somit – auf dem Papier – zunächst oberflächlicher bewertet. Um die Motivation der Kandidat:innen zu prüfen, erhöht sich als Resultat häufig die Anzahl an Erstgesprächen. Durch den Verzicht eines obligatorischen Anschreibens ist hier mit einem Mehraufwand zu rechnen.

In beiden Fällen führt der Zwang zur Bereitstellung eines Anschreibens bzw. die daraus entstehende Relevanz bei der Selektion der Bewerber dazu, dass es trotz Eignung zu keinem weiteren Austausch zwischen den Kandidat:innen und dem Unternehmen kommt. Der Pool an relevanten Beweber:innen verkleinert sich somit zwangsläufig.

UNSERE EMPFEHLUNG FÜR UNTERNEHMEN

Wie sich Unternehmen hinsichtlich der Anforderung eines obligatorischen Anschreibens verhalten sollen, muss im Einzelfall entschieden werden. Befindet sich ein Unternehmen auf der Suche nach neuen, geeigneten Mitarbeiter:innen im „War of talents“, sollte es den potenziellen Kandidat:innen so einfach und bequem wie möglich gemacht werden, eine Bewerbung abzugeben. Mehraufwände im Selektionsprozess sind an dieser Stelle „dankend“ in Kauf zu nehmen. Können diese intern nicht gestemmt werden, können Unternehmen auch auf externe Unterstützung beim Recruiting zurückgreifen.

Befindet sich das Unternehmen jedoch in der glücklichen Lage eine Vielzahl an Bewerbungen von geeigneten Kandidat:innen zu erhalten, kann die Anforderung eines Motivationsschreibens ein sinnvolles Instrument darstellen, um die Bewerberflut zu regulieren.

Unseren Erfahrungen nach existieren aktuell kaum Unternehmen, die in die Verlegenheit geraten, ihre Anzahl an Bewerbungen drosseln zu müssen. Auch wir bei HR factory gehen für das richtige Talent sehr gerne die Extra-Meile und freuen uns, unsere Bewerber sowie deren Motivation und Eignung im Gespräch kennenzulernen.  Daher leben wir bereits seit 2018 einen verschlankten Bewerbungsprozess – ohne verpflichtendes Anschreiben.

UNSERE EMPFEHLUNG FÜR BEWERBER:INNEN

Lässt es ein Unternehmen zu, kann die Bewerbung ohne schlechtes Gewissen auch ohne Anschreiben versendet werden. Ein sinnvoll strukturierter CV, der alle wichtigen beruflichen Stationen knapp beschreibt ist – mit oder ohne Anschreiben – ohnehin der wichtigste Faktor für eine weitere Berücksichtigung im Auswahlprozess. Gute Bewerbungsschreiben können die Bewerbungsunterlagen positiv unterstreichen, sind aber bei offenen Bewerbungsprozessen nur ein „nice-to-have“.