DIE CANDIDATE EXPERIENCE – AUF WAS KOMMT ES WIRKLICH AN?

Wollen Sie sich als Bewerber nicht auch wie eine Nummer fühlen, wie einer von vielen oder gar ignoriert werden? Ach, wie herrlich das doch wäre, denn so sieht die optimale Candidate Experience aus – natürlich nicht.

Viel zu oft haben Unternehmen noch Standardfloskeln in ihren so stolz aufgebauten automatisierten Bewerbertools und der Workflow beim Upload der Bewerbung ist unnötig kompliziert. Man muss sich erst einmal zurechtfinden und durch viele Steps klicken, viele Felder mit Informationen befüllen, die ohnehin im Lebenslauf enthalten sind.

Der Bewerbermarkt hat sich weitestgehend so entwickelt, dass die Kandidat:innen den Ton angeben, und bekannter Weise macht dieser die Musik. Eine gelungene Candidate Experience steht daher mehr denn je im Mittelpunkt.

CANDIDATE EXPERIENCE: WAS BEDEUTET DAS EIGENTLICH?

Als Candidate Experience, auch Candidate Journey genannt, bezeichnet man sämtliche Wahrnehmungen und Erfahrungen, welche Bewerbende während der Bewerbungsphase erleben. Dies beinhaltet z. B. die Stellensuche, den Bewerbungsprozess oder auch das Onboarding.

WARUM IST DIE CANDIDATE JOURNEY SO WICHTIG?

Zu den wichtigsten Faktoren der aktuell arbeitenden Generationen gehören laut GfK Statistika (2018) neben einem guten Arbeitsklima auch der Gehaltsfaktor und die Möglichkeiten der persönlichen Weiterentwicklung. Darüber hinaus wünschen sich Bewerber:innen, mehr Verantwortung im Job sowie einen kürzeren Arbeitsweg. Blickt man in der Zeit gut 20 Jahre zurück, waren damals noch ganz andere Werte wichtig.

Doch nun sind wir in den 20ern des 21. Jahrhunderts angekommen und selbst Unternehmen mit einer starken Employer Brand und tollen Benefits sehen sich im War for Talents. Da helfen oft auch keine trendigen Bewerberportale oder Social Media Strategien mehr.

Daher sollten auch die Unternehmen ihre Strategien überdenken, an die verschiedenen Zielgruppen anpassen und ihre Werte danach ausrichten, um die Mitarbeiter langfristig zu binden und somit eine Win-Win-Situation für beide Seiten zu schaffen. Das fängt alles bereits mit dem ersten Kontakt an, meist noch bevor der Recruiting Prozess überhaupt richtig losgeht. Denn sämtliche Eindrücke und Erfahrungen, die Bewerber:innen während des gesamten Bewerbungsprozesses (inklusive Preboarding, Onboarding und Probezeit) sammeln, prägen die generelle Wahrnehmung auf das Unternehmen.

DOCH WIE GARANTIERT MAN EINE BESTMÖGLICHE CANDIDATE EXPERIENCE?

Hierzu gibt es klassische Modelle, wie die „6 Phasen der Candidate Experience“, abgewandelt von dem über 100 Jahre alten und immer noch bewehrten Verkaufsmodell AIDA, entwickelt vom amerikanischen Marketing-Spezialisten Elmo Lewis. Die Candidate Experience sollte demnach mit dem Motto einhergehen, das nicht Kund:innen sondern Bewerber:innen „König:innen“ sind.

CANDIDATE EXPERIENCE – AUFMERKSAMKEIT ERREGEN

In der ersten Phase der Candidate Journey geht es darum die Aufmerksamkeit der Kandidat:innen auf das Unternehmen zu ziehen. Dies könnte z.B. durch allerlei Werbung geschehen, eine interessante oder auch provokative Kampagne, die sich in den Köpfen der Leute festsetzt, aber auch durch einen Auftritt auf bspw. einem Recruiting-Event oder einer Messe.

CANDIDATE EXPERIENCE – INFORMATIONEN LIEFERN

In der zweiten Phase geht es darum, dass die daraus resultierenden Interessent:innen sich nun weitere Informationen über das Unternehmen und etwaige Jobangebote einholen. Hier kann das Unternehmen sich von seiner besten aber Vorsicht – bitte auch realistischen – Seite zeigen. Denn mit viel „Schein aber ohne das Sein“, gewinnt man gute Mitarbeiter:innen lediglich für eine kurze Zeit, wodurch im Endeffekt mehr Kosten als Nutzen verursacht werden.

CANDIDATE EXPERIENCE – VON INTERESSENT:INNEN ZU BEWERBER:INNEN

Waren die Informationen interessant und ansprechend genug, werden in der dritten Phase idealerweise aus Interessent:innen Bewerber:innen. Unternehmen sollten darauf achten, dass ihre Bewerbertools einfach im Umgang und leicht verständlich sind. Es klingt banal, aber es sollten persönliche Ansprechpartner:innen genannt werden. Hier läuft man nämlich schnell Gefahr, dass die Kandidat:innen wieder abspringen, wenn das Unternehmen nicht greifbar ist und der Bewerbungsprozess zu viele Fragen aufwirft oder zu viel Zeit in Anspruch nimmt.

DIE JOURNEY DER BEWERBER:INNEN HAT SOMIT BEGONNEN UND JETZT KOMMT ES DARAUF AN

Es kommt nämlich darauf an, wie die Kandidat:innen die folgenden Schritte des Bewerbungsprozesses wahrnehmen. Ein zuvorkommender Umgang mit den Bewerber:innen sollte während der Candidate Journey selbstverständlich sein. Zudem sollte man sich immer vor Augen halten, dass die Bewerber:innen am Ende der vierten Phase, nämlich des Auswahlverfahrens, zu Mitarbeiter:innen werden könnten.

Eine gute Candidate Experience wird durch individuelle Wertschätzung ausgezeichnet. Daher sollte grundsätzlich Freundlichkeit und echtes Interesse an den Bewerber:innen während des gesamten Prozesses selbstverständlich sein. Um dies zu gewährleisten, sollten Recruiter:innen die jeweilige persönliche Einstellung, aber auch die internen Recrutingprozesse hinterfragen. Dazu gehört es nicht nur sicherzustellen, dass die Prozesse sinnvoll automatisiert sind, sondern auch dass diese nicht auf Kosten der Candidate Experience gehen. In dem Arbeitsalltag von Recruiter:innen wird es mal zeitkritisch: Man arbeitet mit vielen Abteilungen und Stakeholdern zusammen und hat oftmals mehr als nur eine:n Kandidat:in im Prozess. Da kann es leicht zu Wartezeiten von Entscheidungen kommen. Dennoch sollte Bewerber:innen stets ein Gefühl der Wertschätzung gegeben und sie auf dem Laufenden gehalten werden. Idealerweise haben Bewerber:innen während der Candidate Journey auch mindestens eine:n individuelle:n Ansprechpartner:in. Oder fühlen Sie sich etwa gerne verloren? 

WILLKOMMEN IM TEAM – WORAUF ES BEIM PREBOARDING ANKOMMT

Hat man sich für eine:n Bewerber:in entschieden, wird mit einem herzlichem „Willkommen im Team“, das Preboarding angestoßen. Dies ist ein wichtiger Punkt vor dem Onboarding, ergänzt werden sollte. Hierbei geht es nämlich darum, dass zukünftige Mitarbeiter:innen sich weiterhin gut aufgehoben fühlen und nicht etwa bis zum ersten Tag nichts mehr vom Unternehmen hören, geschweige denn nicht wissen wohin sie an diesem zu gehen haben. Demnach folgen im Best Practice die Kontaktherstellung von Führungskräften oder auch unter Kolleg:innen. Dies könnte zum Beispiel in Form eines Buddy-Programms geschehen. Bestenfalls sollte in dieser ersten Kontaktaufnahme dann das weitere Vorgehen in den ersten Arbeitstagen besprochen werden. Fällt der Geburtstag eines neuen Mitarbeitenden zufällig in diese Zeit, wäre es an dieser Stelle eine nette Geste, wenn das Team gratuliert.

CANDIDATE EXPERIENCE – DAS ONBOARDING

Somit steht einem fröhlichen Arbeitsbeginn mit neuen, motivierten Mitarbeiter:innen nichts mehr im Wege und die Onboarding-Phase kann starten. In dieser ist sicherzustellen, dass die Mitarbeiter:innen im neuen Arbeitsumfeld herzlich willkommen geheißen und mit dem Team und den Arbeitsaufgaben vollends vertraut gemacht werden. Auch hier ist ein:e direkte:r Ansprechpartner:in von hoher Bedeutung. Diese:r steht dann bei Fragen zur Verfügung und hilft bei der Eingliederung ins neue Arbeitsumfeld. In dieser Phase der Candidate Experience bestätigt sich schnell, ob die Außenwirkung des Unternehmens mit den gelebten Werten übereinstimmt. All die vielen, neuen Eindrücke sind besonders wichtig für den Wohlfühleffekt der neuen Mitarbeiter:innen. Hier wird deutlich, ob sie den Wechsel ins neue Unternehmen bereuen oder sich in ihrer Entscheidung bekräftigt fühlen. Ist dies der Fall, folgt Phase 6 mit der Bindung der Mitarbeiter:innen

CANDIDATE EXPERIENCE DIE ERHALTUNG EINER LANGFRISTIGEN PARTNERSCHAFT

Hier sollte sich jede:r Arbeitgeber:in vor Augen halten, dass die Pflege dieser Phase ein wichtiger Faktor ist und Kontinuität verlangt. So steht einer wertschätzenden und langfristigen Partnerschaft – denn ich möchte es bedachter Weise nicht Bindung nennen, – nichts mehr im Wege.

DIE CANDIDATE EXPERIENCE – EIN MOSAIK VIELER FAKTOREN

Zusammenfassend ist die individuelle Wertschätzung das A und O und der Anfang einer guten Candidate Experience. Es ist keine Frage von modernen Tools oder trendigen Marketing-Kampagnen. Zudem sollte sich jedes Unternehmen fragen, ob die Unternehmensphilosophie mit den definierten Werten zu seinen Mitarbeiter:innen passt und welche Kultur dadurch gelebt werden soll. Denn was bringt eine weitere Einstellung von vielen, wenn die neu gewonnenen Mitarbeiter:innen schnell wieder das Unternehmen verlassen?

Verfasst von: Amely Aboud